„Crime Cruise“. Eine Abenteuerreise für Krimi-Fans! Lesungen, Schreibworkshop, Whisky & Crime und Schimmelgesichter!
Veranstaltet wurde die Reise von der Smyril Line, die ihren Sitz in Tórshavn auf den Färöern hat und nur ein Schiff betreibt: Die MS Norröna, auf der man zwar als Passagier einen gewissen Kreuzfahrt-Flair verspürt, die aber dennoch Fähre und Versorgungsschiff ist und die einzige Möglichkeit, mit dem eigenen Wagen auf die Färöer oder nach Island zu kommen.
Zwar würde ich mich nicht als Krimi-Fan bezeichnen, doch bin ich Autorin und zudem noch vom Island-Virus infiziert – und wenn ich ein gutes Buch in die Hand bekomme, ist es mir egal, welchem Genre es zuzuordnen ist. Da dasselbe auf meine liebe Autorenkollegin und Freundin Karin Müller zutrifft, buchten wir also schon im Januar 2019 die Reise inklusive „Luxus-Doppelbett-Außenkabine“ – der Frühbucher-Rabatt kam uns dabei zugute. Auch den Shuttle-Bus nutzten wir, der am 2. November sehr früh morgens in Hannover startete, auf seinem Weg Mitreisende in Hamburg und Neumünster einsammelte und schließlich extra für uns sogar noch einen Stopp in Flensburg einlegte.
Mittags waren wir dann in Hirtshals, ganz oben im Norden Dänemarks, wo die „Norröna“ am Kai lag, riesig wie ein Hochhaus, acht Stockwerke (nein, Decks, ab jetzt wird nur noch seemännisch gesprochen, aye!) hoch ragte das Schiff in den grauen Himmel, und dann wurden wir auch schon vom Festival-Leiter Felix Schmidt mit einem isländischen Brennivín begrüßt. Das Abenteuer konnte beginnen!
Nachdem uns zunächst wegen der Zeitverschiebung auf der Reise zwei Stunden geschenkt wurden, hatten wir genug Zeit, das Schiff zu erkunden: von Schwimmbecken, Fitnessraum und Sauna ganz unten im Bauch der Norröna bis zu den drei Hot Tubs auf Deck sieben, die leider außer Betrieb waren, so dass wir erst mal ein bisschen Dampf an der Rezeption machen mussten: Wozu hatten wir sonst unsere Badeanzüge eingepackt?
Und dann waren wir schon auf See, wo der Tag einen der ersten Höhepunkte für uns bereithielt: das große skandinavische Abendbuffet. Überhaupt war das Essen an Bord ausgesprochen gut und reichlich. Fast schon zu gut.
Dennoch war das Frühstücksbuffet am nächsten Morgen nicht mehr ganz so gut besucht: Die Nordsee war mittlerweile dabei, zum Atlantik zu werden, und der Seegang forderte seinen Tribut. Beim Film über die Färöer in der Naust-Bar und beim Schreib-Workshop von Barbara van den Speulhof musste selbst ich immer wieder aus dem Fenster und auf den Horizont schauen, dabei bin ich recht seefest.
Da wir den zweiten Tag unserer Reise komplett auf See verbrachten, standen noch weitere Programmpunkte an: Der erste Vortrag von Dr. Manfred Lukaschewski, dem ich kaum folgen konnte, da die Bilder von verwesenden Leichen in allen Zuständen mich etwas ablenkten. Noch immer sehe einen verschimmelten menschlichen Kopf vor mir, bei dem zum Glück kaum noch Details zu erkennen waren - der aber dennoch als "Schimmelgesicht" sprichwörtlich werden sollte - noch lange über die Reise hinaus. Darauf ein leckeres Abendessen!
Nachdem alle Passagiere in der Abenddämmerung noch einmal an Deck geströmt waren (nein, nicht, um die Fische zu füttern ... aber in der Ferne waren die Shetland-Inseln zu sehen) konnten wir uns anschließend beim „Tatort“ in der Naust-Lounge wieder erholen und nahmen dankbar, wie auch an jedem der folgenden Abende, die „Happy Hour“ in Anspruch: zwei Getränke zum Preis von einem. Und wenn man dann abends in den Schlaf geschaukelt wird, hört man das Gebrumm der Motoren schon nicht mehr.
Tórshavn! Und plötzlich liegt das Schiff still und die Lichter der Hauptstadt schimmern durch die Fenster der Kabine. Und auch, wenn diese Hauptstadt nur etwa 20.000 Einwohner hat, ist es ein unbeschreibliches Gefühl, nach einem kompletten Tag auf See früh morgens von Deck sieben hinunter auf die felsige Halbinsel Tinganes mit seinen historischen Gebäuden zu schauen und zu wissen: Wir sind auf den Färöern! Noch immer befindet sich dort unten in den alten, roten Häuschen, viele davon mit grasgedeckten Dächern, die Landesregierung der Inselgruppe.
„Da will ich sitzen!“, erklärte ich Karin und zeigte auf die Bank, die vor dem letzten Haus der Landzunge stand, dort, wo es nur noch Felsen gab und einen Fahnenmast – und wenige Stunden später saßen wir auch dort. Aber vorher noch nahmen wir an einem Landausflug teil: Mit dem Bus und einer kundigen Reiseführerin ging es von Tórshavn entlang der Fjorde, entlang kahler und felsiger, aber grüner Berge, Basaltgestein, waagerecht geschichtet und ganz oben sogar mit Schnee bestäubt. Von der Insel Streymoy fuhren wir über eine kurze Brücke hinüber nach Eysturoy und dort ganz in den Norden, in den malerischen Ort Gjógv, „Felsspalte“, wo wir etwas Aufenthalt hatten. Die namensgebende Felsspalte bietet einen natürlichen Hafen an der ansonsten unzugänglichen Küste, an der sich auch an diesem Tag die Wellen brachen; das Wasser zerplatzte an den Felsen und schleuderte seine Gischt viele Meter hoch. Obwohl es nicht kalt war – wir hatten etwa fünf Grad plus – war der Wind so eisig, dass es anschließend im Bus lange dauerte, bis ich meine Finger wieder schmerzfrei bewegen konnte.
Nach unserer Rückkehr nach Tórshavn war noch genug Zeit, um die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Das haben wir auch gemacht. Vor allem das historische Regierungsviertel Tinganes.
Und dann haben wir auf der Bank vor dem letzten Gebäude auf der felsigen Landzunge gesessen.
Aber auch krimitechnisch hatte dieser Tag noch etwas zu bieten, und zwar mit Simone Buchholz, die uns aus ihrem "Mexikoring" vorgelesen hat, während wir Tórshavn wieder verließen und die Lichter der Stadt in der Dunkelheit an uns vorbeiglitten.
... und noch ein ganzer Tag Seyðisfjörður!
Für heute hatten Karin und ich keinen Ausflug gebucht - schließlich gibt es auch hier genug zu sehen. Der Ort ist zwar klein, hat aber eine sehr besondere (da hellblaue) Kirche, ein paar Lädchen und natürlich jede Menge Natur zu bieten. In einem der Lädchen stellten Karin und ich unsere Isländischkenntnisse unter Beweis, indem wir ab und zu ein "sömuleiðis" oder "frábært" von uns gaben. Anschließend haben wir im Ort dann auch noch fast das Schwimmbad aus der isländischen Serie "Trapped" entdeckt! Also, fast.
Aber immerhin gab es Elfenhäuschen und einen Wasserfall mit Aussicht.
Zwar fehlte auch heute der blaue Himmel, der das Wetter perfekt gemacht hätte, aber der Schnee war noch immer knirschig und die Oberfläche des Fjords spiegelglatt. Es wehte kein Lüftchen. Durch die Spiegelung auf der Wasseroberfläche wirkten die Berge gigantisch - und die riesige "Norröna" winzig klein zwischen den Felswänden.
Nachmittags haben wir uns dann wieder schimmelige Leichen mit Dr. Manfred Lukaschewski angeguckt (bzw. etwas darüber gelernt, ob Leichen wirklich stumm sind) ... und während der abendlichen Lesung mit Stephan Ludwig ist die "Norröna" dann wieder ausgelaufen.
Bless, bless, Island! Schön war es hier!
Aber, halt stopp, da war ja noch was: Springende Buckelwale unterm Nordlicht wollten Karin und ich auf dieser Tour sehen! Leider waren wir an Bord immer offline, aber wozu gibt es die Rezeption? Als der Himmel später am Abend aufklarte, fragten wir nach ... Ja, es bestand eine geringe, aber nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit, in dieser Nacht Nordlichter zu sehen.
Also zogen wir uns warm an. Ich holte Kamera und Stativ heraus - nur für diesen Fall hatte ich das Stativ überhaupt mitgenommen. Und dann raus in die Nacht und den Blick gen Norden gerichtet. Ha! Was waren das für nordlichtförmige Nebel, die da über den Himmel huschten? Dort, unter dem Großen Wagen? Die Handykamera brachte den Beweis, denn was mit dem bloßen Auge nur ein heller Schimmer war, war auf dem Foto tatsächlich grün.
Unsere ersten Nordlichter!
Die Kälte an Deck war beißend, vor allem an den Händen - aber wir harrten aus, so lange es die Nordlichter ebenfalls mit uns aushielten. Und kehrten anschließend beseelt in unsere Kabine zurück.
Darauf ein färingisches Dosenbier!
Auf dem Hinweg war es Abend gewesen, als wir uns in Richtung Norden durch die Fjorde und Sunde der Färöer geschlängelt hatten. Doch am 7. November fuhren wir bei hellem Tageslicht von Island kommend auf die Inselgruppe zu. Welch ein Unterschied! Schon von Weitem sahen wir die felsige Küste der Inseln Streymoy und Eysturoy in den Himmel ragen, in genau die richtige Mischung aus Sonne und Wolken hinein, um so richtig dramatische Fotos zu garantieren!
Während der Autor Jürgen Neff uns am späten Vormittag noch von den Grauen einer "Kreuzfahrt am Abgrund" vorlas, saß ich bereits wie auf glühenden Kohlen, denn draußen zogen mittlerweile an beiden Seiten des Schiffs die schneebestäubten Berge vorbei - mich zog es auch: nämlich nach draußen.
Und dann trafen sich fast alle Teilnehmer der "Crime Cruise" an Deck, denn die sich ständig ändernde Kulisse, durch die wir fuhren, und die schnellen Wetterwechsel, die uns so gut wie alles zwischen Schneegriesel und Sonnenschein bescherten, waren als Fotomotive kaum zu toppen.
Am frühen Nachmittag dann kamen wir erneut in Tórshavn an. Wieder hatten wir genug Zeit, um durch die Stadt zu laufen (Karin war die Sockenwolle ausgegangen und ich beobachtete fasziniert, wie sie sich auf Schwedisch mit einer färingisch oder norwegisch sprechenden Sockenwolleverkäuferin unterhielt). Später trafen wir wieder mit einer Gruppe zusammen, die, wie wir, einen weiteren Ausflug gebucht hatte: nach Kirkjubøur, nicht weit von Tórshavn entfernt. Dort findet sich außer der Olavskirche (13. Jhdt.) auch die Ruine des Magnusdoms (ca. 1300), sowie der "Königshof" (auch "Roykstovan", 11. Jhdt.), der älteste auf den Färöern erhaltene Hof aus der Wikingerzeit, der heute ein Museum ist.
Leider begann der Ausflug zunächst mit einer Führung durch den alten Ortskern Tórshavns, der wunderschön ist - den wir allerdings mittlerweile schon zweimal gesehen hatten. Als dann endlich der Bus in Richtung Kirkjubøur fuhr, dämmerte es bereits und es war auch nicht mehr genug Zeit, um sich den historisch so interessanten Ort noch in Ruhe erlaufen zu können. Stattdessen wurden wir schon recht schnell in den "Königshof" gewunken, wo es Kaffee und Kuchen gab. Sehr lecker, aber trotzdem sehr schade.
Dafür gab es abends noch Whisky. Nämlich während der Whisky & Crime-Lesung mit Sybille Baecker.
Die Norröna legte wieder ab und auf unserem Streifzug über die Decks stellten Karin und ich fest, dass die Hot Pots endlich mit Wasser gefüllt waren! Frábært!
Der Freitag war wieder ein kompletter Tag auf See. Ein Tag mit Programm von Manfred Lukaschewski und Michael Miensopoust - und den Hot Tubs auf Deck 7! Endlich!
Am Samstagvormittag dann erreichten wir Hirtshals. Aber nach der Reise ist vor der Reise, nicht wahr?
Schließlich haben wir noch immer keine springenden Buckelwale unterm Nordlicht gesehen!