Yuen Long und Lantau

 

Auch in Hong Kong ist der erste Mai ein Feiertag und so habe ich das Angebot von Charlotte angenommen, eine Wanderung zusammen mit ihr und einer Freundin mitzumachen. Wir verabredeten uns vor der HSBC in Central (The Hong Kong and Shanghai Banking Corporation), dem teuersten Gebäude der Welt, und zwar bei den beiden Bronzelöwen Stephen und Stitt, die den Eingang bewachen (und die man auch auf einigen 20$-Scheinen abgebildet findet).

 

Aufgrund des Feiertages hatten die philippinischen Hausmädchen wieder frei und trafen sich in Heerscharen im Schatten des offenen Erdgeschosses des Gebäudes und gegenüber im Statue Square-Park. Aus Pappkartons hatten sie sich gemütliche Sitzecken und -burgen gebaut, in denen sie gruppenweise saßen, um den Tag miteinander zu verbringen.

 

Charlotte und ich fuhren mit der MTR (Metro) bis Yuen Long in den New Territories, ganz in den Norden dessen, was noch zu Hong Kong gehört, dicht an der chinesischen Grenze. Der Rundwanderweg Nam Sang Wai - siebeneinhalb Kilometer - war zunächst nicht ganz so malerisch, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Bei brütender Hitze liefen wir eine Straße entlang, auf der zum Glück kaum Autos unterwegs waren, dafür umso mehr Fahrräder. Jenseits der Straße befand sich der Kam Tin River, der zunächst eher wie ein Kanal erschien. Doch so langsam veränderte sich die Flusslandschaft und verwandelte sich mehr und mehr in die Wetlands, für die die Gegend bekannt ist, ein Sumpfgebiet mit Blick auf die fernen Hochhäuser von Shenzhen, das bereits in China liegt.

Höhepunkt der Wanderung war die Querung des Shan Pui Rivers mit einer kleinen, mit reiner Körperkraft eines einzelnen Mannes betriebenen Flussfähre.

 

Sehr angenehm war auch der restliche Nachmittag in der Wohnung von Charlottes Freundin Wendy und ihrem Mann bei Apfelkuchen, Kaffee und Weißwein. Und in Gesellschaft des einäugigen Katers Charlie, der aufgrund der Hitze geschoren war wie ein Löwe.

Es war interessant, mal eine Hong Konger Wohnung von innen zu sehen.

 

 

Für gestern dann habe ich mir die größte Insel Hong Kongs vorgenommen - aber natürlich nur einen kleinen Teil davon. Lantau liegt westlich von Hong Kong Island und ist gut mit der MTR zu erreichen. Ich war rechtzeitig auf dem Weg, denn ich wollte mit der fast sechs Kilometer langen Seilbahn "Ngong Ping 360" zum Tian Tan Buddha hinauffahren, dem "Big Buddha", der auf einem Hügel sitzt und von dort aus weiträumig die Gegend überblickt. 23 Meter ragt er in die Höhe - und das ohne den Lotos, auf dem er sitzt, und ohne seinen Sockel.

Obwohl ich schon etwa zwanzig Minuten vor Öffnung der Bahn ankam, musste ich trotzdem noch eine Weile schlangestehen, bis ich endlich in meiner Gondel saß. Doch das Warten hatte sich gelohnt: Der Ausblick aus der Höhe war umwerfend. Wir überquerten Gewässer und Hügel, hatten einen freien Blick auf den Flughafen ... und irgendwann kam dann auch der Buddha in Sicht.

Bevor man ihm jedoch wirklich zu Füßen steht, muss man zunächst Ngong Ping Village durchqueren, ein für die Touristen errichtetes Örtchen, das hauptsächlich aus Souvenirläden besteht. Aber trotzdem ganz schnuckelig ist.

 

Dahinter kommt man zunächst zum Po Lin Monastery, einer riesigen Tempelanlage, die aus zahlreichen Gebäuden besteht. Am imposantesten ist sicherlich die ganz hinten liegende "Grand Hall of Ten Thousand Buddhas".

 

Anschließend machte ich mich an den Aufstieg zum Big Buddha. 268 Stufen lagen vor mir und ich war jedes Mal froh darüber, wenn mal eine Wolke die Sonne verdeckte. Oben angekommen habe ich die imposante Statue mehrmals umrundet und von allen Seiten fotografiert. Selbst im Sockel des Buddha befinden sich Souvenirläden und ein Restaurant.

Ich weiß nicht, ob er das gut findet. Er hat ein bisschen genervt geguckt.

 

Nachdem ich die Treppen wieder hinuntergestiegen war, bin ich mit dem Bus in das Fischerdorf Tai O gefahren. Hier stehen die Häuser auf Stelzen und überall wird getrockneter Fisch und Meeresgetier zum Kauf angeboten. Allerdings draußen, vor den Läden, teilweise fällt sogar Sonne auf die Früchte des Meeres, daher habe ich von einem Kauf abgesehen. Immerhin werde ich noch mehrere Tage in meinem Hotelzimmer verbringen und der fischige Geruch war selbst im Freien schon eindrucksvoll.

Irgendwann geriet ich in eine Gasse, pardon, auf einen Steg, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich hier als Tourist wirklich entlanglaufen sollte. Ein bisschen hatte ich das Gefühl, fast schon in den Wohnzimmern der Leute, die hier leben, zu stehen. Dennoch hatte mich der Zufall (oder das Schicksal, vielleicht hatte auch Buddha seine Hände im Spiel), genau auf den richtigen Weg geführt, denn nur so war es möglich, zum "Triple Lanterns Café" zu gelangen, und das war nun wirklich ganz wunderbar. Eine ganze Weile verbrachte ich dort, saß im Schatten und ließ mich von einem lauen Lüftchen kühlen, direkt an der flussartigen Meerenge zwischen Tai O und dem vorgelagerten Inselchen. Ein Bier, ein paar "Fish Cakes" und freies WiFi - ich wollte gar nicht mehr weg. Und als ich dann irgendwann noch ein Kännchen grünen Lavendel-Tee bestellen wollte ... bekam ich auch schon eines serviert. Als nette Geste des Hauses.

 

Also, falls ihr irgendwann einmal nach Tai O kommen solltet, haltet Ausschau nach dem "Triple Lanterns Café". Es muss der entspannteste Ort von ganz Hong Kong sein.

 

Abends dann besuchte ich noch Muriel, Lehrerin der GSIS und Organisatorin der Buchwoche, in ihrer kleinen Wohnung direkt am Escalator. Der Escalator, das längste überdachte Freiluft-Rolltreppensystem der Welt, überwindet bei einer Länge von 800 Metern 135 Höhenmeter und besteht aus insgesamt zwanzig Rolltreppen. Vormittags kann man damit von oben nach unten fahren, anschließend dann von unten nach oben. Und genau das habe ich getan. Muriels Wohnung ist klein, aber sie hat eine Dachterrasse, auf der wir eine Weile gesessen haben, bevor wir dann in eine Rooftop-Bar in der Nähe gegangen sind. Auf dem Dach des 25-stöckigen Gebäudes war es angenehm frisch, der Drink war lecker und die Aussicht einmalig. Obwohl wir uns bei weitem nicht im höchsten Gebäude der Umgebung befanden.

 

Anschließend ging es mit der Ding-Ding wieder zurück ins Hotel. Ja, es gibt auch Busse, jede Menge. Ja, es gibt eine Metro. Unmengen von Taxis, die auch sehr preisgünstig sind. Aber ich liebe nun mal die Ding-Ding. Es ist einfach immer wieder schön, ganz oben und ganz vorne zu sitzen, am geöffneten Fenster, und durch Hong Kong zu schaukeln.

 

 

 

 


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Kommentare: 3
  • #1

    H & I aus F (Donnerstag, 03 Mai 2018 19:36)

    Liebe Lee Si,

    tagelang auf der Donau ohne Netz ( weil Roaming noch nicht freigeschaufelt war ) und mit unbrauchbarem WLAN, aber jetzt in München kann ich endlich nachholen, was ich an Hong Kong Berichten versäumt habe. Sehr spannend - es ist soviel Lesestoff, dass ich Gas geben muss, damit ich anschließend noch ins Gasthaus kann.
    Weiterhin alles Gute für dich und komm gesund und frohgemut wieder nach Hause.

    Liebe Grüße
    Vati und Inge

  • #2

    Ingrid P. aus Viehhagen (Freitag, 04 Mai 2018 09:53)

    Meine liebe Alice, vielen Dank, dass du uns mit deinen Berichten und Bildern auf deine Reise nach Hong Kong mitgenommen hast ! Schon beim Lesen sah ich dich und deine Erlebnisse vor mir, aber die farbenfrohen Bilder verstärkten noch meine eigenen Eindrücke.
    Ich saß neben dir in der Ding-Ding, spürte deine brennenden Füße, genoss den warmen Fahrtwind und freute mich mit dir über die kleinen Jungs, wenn sie sich von Dings zu Bums zuwinkten.
    Ich wünsche dir jetzt eine gute Rückreise - vielleicht triffst du unterwegs ja deine Jacke wieder - und sende dir viele liebe Grüße, deine Mutti.

  • #3

    Alice (Sonntag, 06 Mai 2018 12:59)

    Ihr Lieben,

    ich freue mich sehr darüber, dass ihr mit so viel Freude mit mir reist! Leider springt mein Rechner seit dem letzten Eintrag nicht mehr an, so dass ich den abschließenden Beitrag von zu Hause aus schreiben werde. Wo ich in ungefähr einer halben Stunde ankomme.

    Liebe Grüße, noch aus dem Zug, von Alice